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Wegzugsbesteuerung (Exit Tax)
Die Wegzugsbesteuerung – international Exit Tax – wird in manchen Ländern fällig, wenn Menschen ganz aus ihrem Land wegziehen oder im Ausland einen Zweitwohnsitz begründen. Deutschland erhebt diese Steuer, Österreich auch, die Schweiz nicht.
Unterschiede zwischen den Ländern im D.A.C.H.-Gebiet
Deutschland erhebt die Exit Tax auf alle Kapitalbeteiligungen ab einem Prozent, Österreich ebenso, in der Schweiz entfällt sie. In Österreich finden sich die entsprechenden Regelungen in § 27 (6) Z 1 lit b EStG, wobei der Wertzuwachs ab einem Prozent an Kapitalgesellschaften besteuert, aber beim Umzug in ein EU- oder EWR-Staat bis zur tatsächlichen Realisierung gestundet wird. Die Stundung muss beantragt werden. Den gleichen Weg können seit einiger Zeit Steuerpflichtige in Deutschland beschreiten, auch wenn sich die hiesigen Finanzbehörden lange dagegen gewehrt haben. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden.
Warum gibt es die Exit Tax?
Grundsätzlich möchte die Finanzverwaltung Zugriff auf das inländisch Steuersubstrat erhalten. Dabei handelt es sich um die Steuer auf alle materiellen und immateriellen Vermögenswerte. Wenn das Steuersubstrat ins Ausland verlagert wird, erfolgt eine Besteuerung, damit dem Fiskus keine Einnahmen entgehen, die zum Zeitpunkt des Umzugs fällig wären. In Deutschland regelt der § 6 AStG (Außensteuergesetz) zusammen mit § 17 EStG (Einkommensteuergesetz) die Wegzugsbesteuerung. Diese beiden Paragrafen besagen zunächst, dass die Steuer auf die fiktive Veräußerung der entsprechenden Anteile erhoben wird. Beim Durchsetzen dieser Regelung, die auch exakt so (ohne Stundung) beim Umzug in einen Nicht-EU-Staat durchgeführt wird, entsteht für den Steuerpflichtigen das Problem, dass die Anteile ja gar nicht verkauft wurden, also kein Veräußerungserlös entstand – die Steuer aber fällig wird. Der Staat handelt dennoch auf diese Weise, um das inländische Steueraufkommen zu sichern. Die Besteuerung soll erfolgen, bevor Vermögenswerte dem Zugriff des inländischen Fiskus entzogen werden.
Anwendungsfälle der Wegzugsbesteuerung
Sobald der Fiskus sein Besteuerungsrecht an Veräußerungsgewinnen wegen eines Wegzugs verliert, wendet er die Exit Tax an. Ein Besteuerungsrecht ist grundsätzlich an den Wohnsitz gebunden. Das bedeutet für jeden Steuerpflichtigen: Sobald er/sie seinen inländischen Wohnsitz aufgibt oder auch durch einen ausländischen ergänzt, ist zu prüfen, ob die Wegzugsbesteuerung greifen könnte. Personen mit mehreren Wohnsitzen im In- und Ausland und Personen, die einen vorübergehenden Aufenthalt in einem anderen Staat planen, gelten als die komplexesten Fälle. Es ist nämlich dann stets anhand der zwischen den Staaten ausgehandelten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nachzuprüfen, ob die Steuer nicht doch im anderen Staat fällig wird und Deutschland daher Besteuerungsrechte aufgrund der Änderung von persönlichen Lebensumständen verliert. Umgekehrt kann die Exit Tax auch fällig werden, wenn es für den Steuerpflichtigen noch Anknüpfungspunkte in Deutschland gibt, er also mehrere Wohnungen im In- und Ausland unterhält.
Vorherrschende Regelungen der Doppelbesteuerungsabkommen
Prinzipiell sollen die Doppelbesteuerungsabkommen verhindern, dass ein Steuerpflichtiger in zwei Staaten für dieselben Einkünfte gleichzeitig (doppelt) Steuern zahlt. Diese Abkommen sind bilateral und daher nicht einheitlich, auch wenn es viele Ähnlichkeiten untereinander gibt. Die meisten DBA, die Deutschland mit anderen Ländern abgeschlossenen hat, regeln die Besteuerung nach dem jeweiligen Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen: Dieser Staat hat das Besteuerungsrecht bei Veräußerungsgewinnen von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Wenn der Steuerpflichtige ins Ausland zieht, seine Anteile aber weiter besitzt, muss sein bisheriger Staat davon ausgehen, dass er seine Anteile irgendwann mit ins Ausland nimmt. Dann würde die Steuer seinem vorherigen Staat entgehen, der daher die Exit Tax erhebt. Diese Regelung betrifft umgekehrt auch Steuerausländer. Wenn sich diese in Deutschland (vorübergehend) niederlassen und in beiden Staaten – ihrem Ursprungsland und Deutschland – Anteile an Kapitalgesellschaften halten, müssen sie beim Wegzug aus Deutschland mit der hiesigen Exit Tax rechnen. Doch auch ihr Herkunftsland kann eine Wegzugssteuer erheben, wie immer diese auch ausgestaltet ist. Ein Beispiel hierfür wäre dieses:
- Der Steuerpflichtige zieht in die USA, hält aber dennoch in Deutschland eine Wohnung, weil er sich für rund drei Monate im Jahr hier aufhält. Mit diesem Wohnsitz bleibt er nach § 8 AO in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. In den USA ist er aber mit einem dortigen Wohnsitz ebenfalls unbeschränkt steuerpflichtig nach Artikel 4 DBA USA. Weil er viel länger in den USA als in Deutschland wohnt (neun Monate gegenüber drei Monaten in Deutschland), führen die USA in diesem Fall das DBA an. Ihnen wird daher grundsätzlich das Besteuerungsrecht zugewiesen, was aber auch von der Einkunftsart abhängt. Für bestimmte deutsche Einkunftsquellen wie etwa die Verpachtung oder Vermietung von in Deutschland liegenden Immobilien behält nämlich Deutschland das Besteuerungsrecht. Sollte der Steuerpflichtige außerdem Anteile an Kapitalgesellschaften halten, erhält der US-Fiskus beim Umzug darauf das Besteuerungsrecht – Deutschland wiederum wendet die Exit Tax nach § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 AStG an, weil es ansonsten das Besteuerungsrecht verliert. Das ist insofern nicht ohne Weiteres verständlich, weil ja die Person ansonsten wegen ihres Wohnsitzes in Deutschland hier steuerpflichtig bleibt. Lediglich die Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens sehen diese Einigung zwischen beiden Ländern für mögliche (!) Veräußerungsgewinne von Anteilen an Kapitalgesellschaften vor. Steuerliche Laien können das nicht wissen, sie denken nicht einmal an diesen Umstand. Daher ist in dieser Hinsicht Aufklärung dringend geboten.
Ein anderer Fall:
- Der Steuerpflichtige legt Anteile entweder in eine eigene, im Ausland gelegene Betriebsstätte oder in einen fremden ausländischen Betrieb ein. In diesem Fall greift ebenfalls die Exit Tax nach § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AStG.
Wegzugsbesteuerung bei grenzüberschreitenden Erbschaften oder Schenkungen
Die Wegzugsbesteuerung kann auch ausgelöst werden, wenn ein Steuerpflichtiger mit Wohnsitz in Deutschland Anteile an Kapitalgesellschaften an eine Person im Ausland vererbt oder verschenkt (§ 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 AStG). Wann die Steuer fällig wird, ist nicht ganz unstrittig. Die vorherrschende juristische Meinung besagt, sie wird vor dem Tod des Vererbenden (in der letzten logischen Sekunde) fällig. Das bedeutet, dass noch der Erblasser einkommensteuerpflichtig ist. Für die Erben entsteht damit eine Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Absatz 5 ErbStG. Die Exit Tax wird zusammen mit der Erbschaftsteuer abgezogen. Erblasser und auch Schenkende sollten diesen Umstand beim Aufsetzen eines Testaments beachten.
Fiktiver Veräußerungspreis der Exit Tax
Der Veräußerungspreis ist fiktiv und wird als „gemeiner Wert“ im § 9 Absatz 2 BewG definiert. Es ist der Preis, den die Veräußernden im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielen könnten, mithin der (auch gutachterlich) zu bestimmende Markt- bzw. Verkehrswert.
Exit Tax bei vorübergehender Abwesenheit?
Nach § 6 Absatz 3 AStG entfällt die Exit Tax, wenn die Abwesenheit nur vorübergehend ist. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige vor Ablauf von fünf Jahren wieder nach Deutschland zieht und hier unbeschränkt steuerpflichtig ist. Er darf aber seine Anteile zwischenzeitlich nicht veräußern. Diese Frist kann das Finanzamt um nochmals fünf Jahre verlängern. Hierfür muss der Steuerpflichtige berufliche Gründe für die lange Abwesenheit glaubhaft machen und gleichzeitig seinen Willen zur Rückkehr bekräftigen (§ 6 Absatz 3 Satz 2). Da diese Gründe glaubhaft vorzutragen sind, bleibt es eine Ermessensfrage des Finanzamts, ob es der Argumentation des Steuerpflichtigen (zum Beispiel familiäre Bindungen in Deutschland, aber auch hiesige Geschäftstätigkeit) folgt. Des Weiteren muss der Steuerpflichtige weiter seine Steuererklärung in Deutschland abgeben. Die Exit Tax entfällt auch nur bei tatsächlicher Rückkehr. Wenn diese nach verstrichener Frist nicht stattfindet, holt sich der deutsche Fiskus sein Geld – nötigenfalls auch im Ausland, zumindest versucht er das.
Vermeidung der Exit Tax
Umstrukturierungen des Vermögens – im konkreten Fall der Anteile an Kapitalgesellschaften – verhindern unter Umständen die Aufdeckung von stillen Reserven. Damit fallen sie auch nicht unter die Exit Tax. Es ist auch möglich, eine „Geschäftsleitungsholding“ zu gründen. Sie muss Tätigkeiten über die reine Vermögensverwaltung hinaus ausführen. Damit wird eine Betriebsstätte erforderlich, welcher der Steuerpflichtige seine Kapitalanteile zuordnen kann. Zwar behält Deutschland nach Artikel 13 des OECD-Musterabkommens das Besteuerungsrecht bei der Veräußerung derjenigen Wirtschaftsgüter, die zu einer inländischen Betriebsstätte gehören. Doch 1. muss der Steuerpflichtige ja nicht zwingend Wirtschaftsgüter veräußern, 2. sind für jeden konkreten Fall die einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und demjenigen Staat zu beachten, in welchen der Steuerpflichtige zieht. Die DBA stimmen nicht immer mit dem OECD-Musterabkommen überein. Für diese Prüfung sollten Betroffene dringend einen kompetenten Fachmann für Steuerrecht hinzuziehen. Deutschland wollte den Ausweg der Steuervermeidung über die inländische Betriebsstätte lange nicht zulassen. Doch es gibt eine französische Norm, die mit dem § 6 AStG vergleichbar ist und die zu einem Rechtsstreit führte. Hierzu fällte der EuGH das Urteil EuGH Rs. C-9/02 vom 11.03.2004. Er stellte bei der französischen Norm einen Verstoß gegen die europäische Niederlassungsfreiheit fest. Diese gehöre zu den „Grundregeln der EU“, so die Richter am EuGH. Daraufhin hat der deutsche Gesetzgeber die hiesigen Vorschriften zur Exit Tax entsprechend angepasst. Die neue Regelung führte zur Möglichkeit der zinslosen Steuerstundung. Das Einbringen der Anteile in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft zur Steuervermeidung funktioniert seit 2013 nicht mehr. Hiergegen hat der deutsche Fiskus den neuen § 50i EStG geschaffen.
Zinslose Steuerstundung
Im Fall der inländischen Betriebsstätte wie soeben beschrieben erfolgt die zinslose Steuerstundung ohne Sicherheitsleistung. In allen anderen Fällen kann die Exit Tax auf Antrag zwar ebenfalls für fünf Jahre zinslos gestundet werden (§ 6 Absatz 4 AStG), aber es wird eine Sicherheitsleistung fällig. Bewilligt wird die Stundung nur, wenn das Entrichten der Wegzugssteuer für den Steuerpflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre. Entsprechende Gründe sind wie immer glaubhaft zu machen. Die zinslose Stundung kann auch bei einem vorübergehenden Wegzug gewährt werden (§ 6 Absatz 3 AStG) – möglicherweise sogar ohne die Entrichtung von Teilbeträgen und ohne Sicherheitsleistung.
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Tatjana Lintner
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